Nach dem Jahreswechsel fluten traditionell große Mengen frischer Zahlen zum Thema Online-Finanzmarketing in die einschlägigen Fachmedien. Eine unserer Aufgaben als Marketingberater für Finanzdienstleister besteht darin, diese Daten zu sichten und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die GfK-Studie zum ROPO-Effekt im Banking haben wir uns schon separat vorgenommen. Aber es gibt ja noch mehr Daten, die ausgewertet werden wollen. Genau das soll hier und jetzt passieren. Let’s go.
- Im Mediamix der Finanzbranche hat Online-Werbung einen Anteil an den Spendings von 18 Prozent. Das ist erheblich mehr als beispielsweise Unternehmen aus den Branchen Medien, Handel und Telekommunikation für Online-Werbung ausgeben. Allerdings sanken die Spendings in 2016 im Vergleich zum Vorjahr von 252 Mio. Euro auf 211 Mio. Euro – immerhin ein Rückgang um gut 16%. Betrachtet man aber die Vorjahre ebenfalls, relativiert sich das Bild (2013: 235 Mio. Euro | 2014: 250 Mio. Euro). Knapp die Hälfte des Budgets wird in Display-Advertising investiert. (Quelle: OVK)
- FInanzen.net ist das Online-Wirtschaftsmedium mit der größten Reichweite (26,5 Mio. Visits, 158 Mio. PIs). Summiert man die Top 20 auf, kommt man auf über 200 Mio. Visits und weit über 500 Mio. PIs. Das Reichweitenwachstum hält an. (Quelle: IVW)
- Wem schenken Anleger in Finanzfragen Gehör und Glauben? In puncto Vertrauenswürdigkeit kommen gleich nach Freunden und Verwandten (92%) Online-Verbraucherportale (71%), Online-Vergleichsportale (68%) und Kontakte in sozialen Netzwerken (43%). Erst an fünfter Stelle folgt weit abgeschlagen der Bankberater (36%), wiederum gefolgt von Online-Foren und Blogs (29%). (Quelle: Bitkom)
- Das Potenzial für den Vertrieb von Finanzprodukten über Online- und Mobile-Medien ist im Vergleich zu Reisen, Entertainment und Bücher weitaus geringer. Das lässt sich am Rechercheverhalten der User festmachen: 80% haben schon mal nach Reiseangeboten gesucht, aber nicht einmal 20% nach Finanzprodukten (Geldanlagen, Aktien, Wertpapiere, Fonds; Kredite). Aber immerhin: Auch diese knapp 20% stehen für 10 Millionen User, die suchen und dies genau deshalb tun, weil sie konkreten Bedarf und Kaufinteresse hegen. (Quelle: OVK)
- Von den 10 Millionen finanzaffinen Usern hat gerade einmal jeder Dritte Finanzprodukte auch schon einmal online gekauft. (Quelle: AGOF)
Das waren die Zahlen. Jetzt versuchen wir uns an den Schlussfolgerungen.
Raus aus den Filialen, rein ins Netz – dieser Trend ist ungebrochen. Immer mehr Käufer von Finanzprodukten vertrauen nicht auf Bankberater und Versicherungsvertreter, sondern recherchieren lieber auf eigene Faust in den digitalen Medien. Das belegt nicht nur das anhaltende Reichweitenwachstum bei Online-Finanzmedien, sondern auch die Verschiebungen beim Kundenvertrauen: Online-Quellen gewinnen an Glaubwürdigkeit und Bedeutung, während persönliche Berater zunehmend marginalisiert werden. Der neue Prototyp des Kunden ist der Selbstentscheider, der User, der Informationen und Meinungen zu Märkten und Produkten auf eigenen Faust einholt und Kaufentscheidungen ohne Rücksprache mit Profis fällt.
Auffallend ist die (im Vergleich zu anderen Branchen) schwache Conversion Rate bei Finanzprodukten. Das bedeutet, dass die Gruppe der Kunden, die Finanzprodukte online recherchieren und auch erwerben, noch überschaubar ist. Das bedeutet aber auch, dass an dieser Stelle noch Optimierungs- und Wachstumspotenzial vorhanden ist.
Es gibt zahlreiche Barrieren und Probleme, die Kunden dazu veranlassen könnten, doch den vergleichsweise anstrengenderen Weg zum Schalter (siehe ROPO-Effekt) zu wählen oder ganz auf einen Kauf zu verzichten:
- Die Bank bietet bestimmte Produkte nicht online an.
- Die Customer Experience auf der Website ist nicht gut, die Conversion kompliziert.
- Der Kunde findet zwar ein interessantes Produkt im Netz, aber nicht genügend Erklärungen bzw. Argumente für die finale Kaufentscheidung.
- Der Kunde traut sich nicht, Finanzgeschäfte übers Web abzuwickeln.
- Es gibt kein Finanzprodukt im Netz, das dem Kunden gefällt. Das Prinzip Hoffnung treibt ihn in die Filiale.
- Der Kunde findet kein attraktives Produkt. Also lässt er es ganz bleiben.
Das sind nicht alle denkbaren Gründe, aber sicher die wichtigsten. Allen gemein ist, dass sie nach Investitionen in Produktentwicklung, Conversion Rate Optimisation (CRO) sowie Content-Marketing schreien. Denn mehr als das kann kein Finanzdienstleister tun: dem Kunden attraktive Produkt leicht zugänglich anbieten und ihn mit hilfreichen Informationen und überzeugenden Argumenten zum Kauf führen.
Die Produktentwicklung ist Sache unserer Kunden. CRO ist ein großes Thema für sich – darauf kommen wir bei anderer Gelegenheit zurück. Bleibt der Content. Dazu noch ein paar Sätze.
Bei Geld hört der Spaß auf. Dafür beginnen Verstehen und Vertrauen. Daher ist der Faktor Unterhaltung in der Finanzkommunikation weniger wichtig als in anderen Branchen. Komplexe Produkte, nicht anderes sind die allermeisten Finanzprodukte, müssen ausführlich erklärt und mit guten Argumenten in Szene gesetzt werden. Weniger Entertainment, mehr Edutainment. Wem es gelingt, die richtigen Inhalte im richtigen Umfeld und zur richtigen Nutzungszeit zu präsentieren und ggf. vertrauenswürdige Influencer als Vermittler einzusetzen, kommt dem Ziel glaubwürdiger und wirksamer Kommunikation schon sehr nahe. Daher: Native Advertising bzw. Content-Marketing sind Trumpf.
Diese Influencer können, müssen aber keine hochbezahlten Testimonials mit Promistatus sein. Jeder zufriedene Kunde ist ein Influencer, der seinerseits Freunde, Verwandte und Bekannte überzeugt. Die wahre Macht von Word-of-Mouth erkennen und wecken – das sollte das ehrgeizigste Ziel des Finanzmarketings sein.